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Helden auf Rädern: Autobianchi A111

Zu hoch gestreckt

Autobianchi kennt jeder fast nur über das Kürzel A112. Da gab es aber noch viel mehr, und größeres, zum Beispiel den A111, der technisch hoch interessant, von der Mutter dann aber förmlich zerdrückt wurde.

Roland Scharf

Es ist fast ein wenig unfair für eine Firma, wenn sie nur mit einem einzigen Modell in Verbindung gebracht wird. Autobianchi zum Beispiel – ein Name, den jeder nur mit dem A112 verbindet. War ja auch ein cooler Kleinwagen, aber hinter der Bude aus Desio steckt noch viel mehr. Und es geht ja schon los mit der interessanten Entstehungsgeschichte. Fahrradproduzent Edoardo Bianchi, Pirelli und Fiat gründeten Autobianchi nämlich als Joint Venture im Jahre 1955, um neue Konzepte und Techniken in Kleinserien (und unter fremdem Namen) zu testen, ehe der Gigant aus Turin diese dann für die Massenprodukte verwendet. Frontantrieb zum Beispiel. Oder Fiberglas- oder gar Schrägheck-Karossen. Sollte etwas schief gehen, ist nur eine Tochterfirma betroffen. Und wenn alles funktioniert, bekommen die Fiats eine bereits ausgereifte Technik unter die Hauben – kein blödes Konzept also, das sich beim größten aller Autobianchis aber selbst überholte: dem A111.

Dabei handelt es sich grundsätzlich um eine kleine Familienlimousine mit quer eingebautem Vierzylinder und Frontantrieb, was Ende der 1960er noch relativ exotisch zumutete. Die Technik war ursprünglich auch nicht für Autobianchi vorgesehen, sondern für den Fiat 123, der als Experimentalvehikel neue Techniken erproben sollte. Jetzt war man sich bei Fiat aber sicher, dass die Kundschaft, die auf eine so klassische Linienführung steht, auch lieber einen klassischen Antriebsstrang bevorzugt, weswegen der 124 schlussendlich auch über Heckantrieb und Starrachse verfügte. Und außerdem kam kurze Zeit später ja der 128 mit Frontantrieb und Schrägheck – das war dann für die aufgewecktere Klientel. Und genau hier steckte Autobianchi nun in einem Dilemma.

Zum einen war ihr altes Familienmodell, der Primula, schon in die Jahre gekommen und bedurfte dringend eines Updates. Dieser hatte sowohl Frontantrieb und eine große Heckklappe, was den Geschmack der Käufer auch recht gut traf. Der 111 hingegen mit seinem Drei-Box-Design war für die Experimental-Marke eigentlich zu bieder, aber irgendwie war sonst kein anderes Auto in der Pipeline, womit das Management den Switch des Ex-123 zu Autobianchi absegnete. Und schon ging es 1969 los mit der Produktion. Doch es kam, wie einige schon befürchteten.

Basierend auf der Primula-Plattform und dem 1400er-Motor, war der 111 in etwa zwischen den Fiat 124 und 128 platziert. Die Kunden wussten aber nicht so recht, warum sie sich ausgerechnet für ihn entscheiden sollten, denn zum einen bot er nicht so viel Platz wie der 124, war dafür aber deutlich teurer als der 128. Dem versuchte man gegenzuwirken mit hochwertiger Ausstattung und einer Modellpflege bereits ein Jahr nach der Lancierung. Doch die Mischung aus biederer Hülle und kreativer Technik passt einfach überhaupt nicht in die Zeit. Dazu wurde der 111 von den immer mehr werdenden Frontantrieb-Fiats zu erschwinglichen Preisen förmlich erdrückt, weswegen 1972 nicht nur mit diesem Autobianchi Schluss war. Es gab auch keinen Nachfolger mehr, weswegen der A112 fortan dafür sorgte, dass bis zu seinem Ende 1986 jeder Autobianchi nur mehr mit ihm in Verbindung bringen würde.

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